Bruno Walter

„Die Dissonanz will zur Konsonanz, sie muß sich auflösen; aus ihrem Streben zur Versöhnung, zur Befriedung, zur ruhenden Harmonie besteht im Grunde der zeitliche Ablauf der Musik, jeder Musik (..)“ (Bruno Walter)

Bruno Walter (1876-1962) ist unumstritten einer der größten, namhaftesten und wirkmächtigsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Mehr als fünfzig Jahre hat er die Musikwelt Europas und der Neuen Welt mitgeprägt. Zu den Tätigkeitsstätten des in Berlin geborenen und aufgewachsenen Musikers zählten nach Anfängen in Köln und Hamburg die Städte Breslau, Pressburg und Riga, ehe er dem Ruf Gustav Mahlers folgend an die Wiener Oper wechselte. Die Karriere Bruno Walters in den fünf Jahrzehnten danach liest sich vermeintlich wie eine einzige Erfolgsgeschichte: der Dirigent Bruno Walter war aus den Opernhäusern und Konzertsälen von Berlin, Wien, München, London, Leipzig, Rom und New York nicht wegzudenken. Doch ist dies nur die eine Seite der Medaille, denn Walter wurde weder von inneren Zweifeln noch von privaten Schicksalsschlägen noch von politischen Umbrüchen verschont. Als die Nazis das Musikleben in Deutschland in ihrem Sinn zu reglementieren, d.h. zu ruinieren begannen, musste Bruno Walter, wie so viele andere Künstler jüdischer Herkunft, das Land verlassen. Er ging zunächst nach Wien, nach dem „Anschluss“ dann in Richtung Paris und schließlich in die USA. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam er als einer der ersten großen Künstler nach Europa zurück, ohne freilich dem Land, das ihn aufgenommen hatte, den Rücken zu kehren. In der Neuen wie in der Alten Welt setzte er diese wahre „Weltkarriere“ bis knapp vor seinem Tod im Jahr 1962 fort.

Was mag hinter einem Leben solcher Fülle stehen? Einer Fülle, die nicht nur diese Biographie aufweist und im Dirigieren ihr Auslangen fand, sondern auch einen Komponisten Bruno Walter und einen Essayisten Bruno Walter verzeichnet? Worin liegt der geheime Schlüssel zu diesem Mann, der nicht nur auf mehrfache Weise die musikalische Welt, sondern über sie hinaus das gesamte geistige Leben seiner Zeit mitgeprägt hat? Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Antwort auf diese Frage darin sucht, ihn als einen der wenigen ungebrochenen und großen Humanisten zu betrachten, dem der Glaube an die Musik und die ihr innewohnende Kraft stets über alles ging. Er besaß die Gnade der Unerbittlichkeit der Hoffnung auf die Musik, auf jegliche Kunst, auf jegliche Geistigkeit, die letztlich alle in der Liebe gründen. In ihrer Lichtung entwirren und einen sich die vielfältigen Wege des Lebens von Bruno Walter und die verschlungenen Pfade Europas, dessen Mitte und Herz-Raum rund um Wien-Pressburg-Budapest auch zum Herz-Raum Bruno Walters geworden ist. Denn es ist ein Herz-Raum der Musik.